Die OEE ist eine akzeptierte Kennzahl für hochvolumige Prozesse, wie beispielsweise Abfüll- oder Verpackungsprozesse und auch in Industrien mit mittleren Losgrößen von beispielsweise wenigen Dutzend Produkten gängig. Die Entwicklung der IoT-Technologie ermöglichen jedoch auch eine Anwendung der OEE auf sehr kleine Stückzahlen oder sehr langzyklische Prozesse – bis hinunter zur Losgröße 1. Die Kennzahl kann dabei die gleichen Vorteile ausspielen, die sie auch im Umfeld großer Lose attraktiv gemacht hat.
Die OEE setzt sich aus den Faktoren Verfügbarkeit, Leistung und Qualität zusammen. Alle drei Faktoren können auch bei Losgröße-1-Prozessen Anwendung finden, wobei der Begriff “Losgröße 1” in diesem Artikel als vereinfachendes Synonym für sehr kleine Lose und ggfs. langzyklische Prozesse verstanden werden soll.
Um dem Konzept ein Bild zu geben, betrachten wir beispielsweise eine Starrbett Fräs- und Bohrmaschine der SLP-Baureihe des Maschinenbauers Soraluce, von denen oee.ai die Produktivität u.a. bei einem baden-württembergischen Maschinenbauunternehmen analysiert.
Die Anlage wird verwendet, um präzise und lange Verfahrschienen für Werkzeugmaschinen zu produzieren. Zykluszeiten liegen dabei typischerweise über einer Stunde und der Zyklus besteht aus den Schritten Aufspannen, Bearbeiten, Abspannen/Entladen. Wie werden die nötigen Prozessdaten für eine OEE-Berechnung erfasst und wie berechnet sich für diesen Anwendungsfall die OEE?
Berechnung des OEE Verfügbarkeitsfaktors bei Losgröße 1
Die Ermittlung des Verfügbarkeitsfaktors und der Verfügbarkeitsstörgründe verläuft sehr analog zu Prozessen mit großen Stückzahlen. Eine Erfassungsschwelle wird definiert, die üblicherweise bei langzyklischen Prozessen bei 5 Minuten liegt. Meldet die Anlage also über eine Zeitdauer von mehr als 5 Minuten keine Bewegung, handelt es sich ab dem Beginn des Zeitraums um einen Verfügbarkeitsverlust – und am Display wird ein Störgrund abgefragt. Auf diese Weise entsteht ein Störgrundwasserfall, der beispielsweise die Zeiten des Auf- und Abspannens, von technischen Störungen oder Zeiten von Wartung/TPM darstellt.
Damit unterscheidet sich die Berechnung des Verfügbarkeitsfaktors nicht von der üblichen Ermittlung als Besandteil der OEE.
Berechnung des OEE Leistungsfaktors bei Losgröße 1
Die Identifikation des Leistungsfaktors im Rahmen der OEE-Ermittlung kann auf zwei unterschiedliche Wege erfolgen, die sich deutlich von der klassischen OEE-Ermittlung unterscheiden. Schauen wir uns die beiden Wege an:
Weiter verbreitet ist die Berechnung des Leistungsfaktors über den Vergleich des geplanten zum tatsächlichen Vorschub. Der Konstrukteur des Bauteils hat im Programm für die Werkzeugmaschine für alle Fahrwege einen Soll-Vorschub vorgesehen. Diese Werte werden bei diesem Verfahren als Geschwindigkeitsvorgabewerte genutzt. Weicht die Anlage im realen Betrieb davon ab, handelt es sich um einen Leistungsverlust. Ursache für die Abweichung sind die Eingriffe des Anlagenbedieners, der über den Override der Anlage den Bearbeitungsprozess in Gänze verzögern oder auch beschleunigen kann. Arbeitet die Anlage also mit dem im Programm vorgesehenen Vorschub, wird ein Leistungsfaktor von 100% ausgewiesen. Um die Störgründe zu erfassen, wird ab einem einstellbaren Schwellwert, z.B. < 80 % Vorschub für > 2 Minuten, der Störgrund vom Bediener abgefragt, warum er gerade den Vorschub verzögert. Auf diese Weise entsteht ein Störgrundwasserfall ähnlich dem der Verfügbarkeitsverluste, jedoch mit anderen Ursachen.
Vorteil dieses Berechnungsweges ist die Echtzeit-Verfügbarkeit des Leistungsfaktors, die dann beispielsweise auf einem Andon-Board über der Anlage angezeigt werden kann. Auch können je Werkstück unterschiedliche Phasen mit unterschiedlichen Ursachen des Leistungsverlusts ausgewiesen werden, wodurch die Leistungserfassung sehr präzise stattfindet.
Eine weitere Variante der Identifikation von Leistungsverlusten basiert auf der nachträglichen Nachmessung der te. Die te beschreibt die Stückzeit, die die Arbeitsvorbereitung für das Werkstück berechnet hat. Diese wird, neben der Rüstzeit, häufig im Fertigungsauftrag des PPS-Systems ausgewiesen. Die te ist bei langzyklischen Prozessen dabei die Zeit zwischen Aufspannen und Entladen, was Verfügbarkeitsverluste gemäß der OEE-Definition sind. Überschreitet die Zeitdifferenz zwischen dem Ende des Aufspannens und dem Beginn des Entladens die te, kann eine prozentuale Überschreitung der te berechnet werden, die dem mittleren Leistungsverlust bei der Werkstückbearbeitung entspricht. Wird diese Form des Produktivitätsverlustes identifiziert, erhält der Mitarbeiter am Ende der Bearbeitung die Eingabeaufforderung für einen Störgrund, der in diesem Fall i.d.R. ein Sammelgrund für den Verlust des gesamten Werkstücks sein wird, was die Präzision der Erfassung im Vergleich zur ersten dargestellten Erfassungsoption reduziert.
Berechnung des OEE-Qualitätsfaktors bei Losgröße 1
Der Qualitätsfaktor beschreibt, ob das gefertigte Werkstück innerhalb oder außerhalb der Spezifikation ist. Fragt die OEE-Applikation also gemeinsam mit dem Störgrund Entladen auch den i.O.- bzw. n.i.O.-Status ab, kann diese Information auf die vergangene Bearbeitungszeit des Werkstücks angewendet werden. Auch hier kann selbstverständlich wieder ein Störgrund der Meldung, wie z.B. fehlende Maßhaltigkeit, Oberflächenfehler, o.ä. mitgegeben werden.
Datenerfassung für OEE Losgröße 1
Bei der Datenerfassung zur Berechnung der OEE für kleine Lose bzw. lange Zykluszeiten muss auf die Daten der Maschinensteuerung zugegriffen werden. Bei modernen Anlagen, wie der dargestellten Soraluce der SLP-Baureihe stehen diese Daten via OPC-UA mit einer MQTT-Datenübertragung einfach zur Verfügung. Ältere Anlagen ohne die technische Möglichkeit benötigen ein Retrofit der Konnektivität. Auch dies ist durch die Fortschritte der i4.0-Technologien inzwischen kostengünstig möglich. Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie hier.
Interessieren Sie sich für die Erfassung der Produktivität im Betrieb von Anlagen mit langen Zykluszeiten oder kleinen Losen? Sprechen Sie uns gerne an. Wir bieten Testinstallationen zum geringen Festpreis im Rahmen eines Proof-of-Value Projektes an.