Überdenken der Definition der Rüstzeit in SMED mithilfe von Künstlicher Intelligenz

Innerhalb der Verluste der Anlagenproduktivität nehmen die Rüstzeiten im Regelfall eine großen Anteil ein. Das Toyota Produktionssystem widmet der Reduzierung von Rüstverlusten mit der SMED-Methode ein bedeutendes Kapitel. Doch wie präzise lässt sich eine Rüstzeit messen oder wie beurteilen wir die Qualität eines Rüstvorgangs? KI kann in der Zukunft helfen.

Eine praktikable Definition der Rüstzeit besagt, dass zwischen dem letzten Produkt des vorigen Loses und dem ersten Produkt des Folgeloses die Rüstzeit liegt. Produziert eine Anlage entweder auf 0 oder 100% der Leistung ist diese Definition gültig. Jedoch gibt es viele Anlagen, bei denen die Stückzahlkurve anders verläuft. In der betrieblichen Praxis gibt es häufig vor bzw. nach dem eigentlichen Stillstand Aus- und Anlaufverluste. Eine Präzisierung der Definition der Rüstzeit wäre etwa, die Zeit zwischen dem letzten Produkt des vorigen Loses bei voller Geschwindigkeit bis zum Folgeprodukt mit voller Geschwindigkeit als Rüstzeit zu definieren.

Der typische Verlauf einer Stückzahlkurve vor und nach eines Rüstvorgangs ist in der folgenden Abbildung zu sehen.

Bild: Stückzahlkurve vor und nach Rüstvorgang

Ergänzt man in der Rüstzeitdefinition die Erwartung der vollen Geschwindigkeit, verwischen die drei Zeitanteile der Auslauf-, Stillstands- und Anlaufzeit, so dass diese Definition auch nicht ideal ist. Künstliche Intelligenz kann hier mit seinen Klassifizierungsfähigkeiten von Zeitreihendaten für eine Präzisierung sorgen.

Mit Hilfe eines trainierten neuronalen Netzes kann Deep Learning Zeitreihendaten in stabil und instabil klassifizieren. Diese Einteilung bildet die Basis für eine präzise Zerlegung der Zeitanteile es Rüstvorgangs. Verläßt die Anlage den stabilen Lauf (= Kammlinie) befindet sie sich bis zur Stückzahl „Null“ im Auslauf. Dann beginnt der Stillstand, während dessen der Umbau geschieht. Mit Beginn der Produktion, und bis zum erneuten erreichen des stabilen Produktionsniveaus, wird der Zeitraum als Anlauf definiert.

Diese datenbasierte Klassifizierung bietet in der Praxis mehrere Vorteile:

  • Auch bei Anlagen, die in voller Produktion nicht jede Minute eine identische Stückzahl produzieren, kann der Zeitpunkt, wann die Kammlinie verlassen bzw. erreicht wird, durch den Algorithmus eindeutig definiert werden.
  • Die Auslaufdauer (bzw. der Auslaufwinkel), und damit das Management des Prozesses, kann präzise gemessen und verbessert werden.
  • Die Anlaufdauer (bzw. der Anlaufwinkel) ist ein Maß für die Umbauqualität und kann präzise gemessen und verbessert werden.
  • Sowohl die Auslauf- als auch die Anlaufverluste können präzise in verlorenen Stück oder verlorenen OEE-Prozentpunkten ausgedrückt werden.

Die folgende Darstellung visualisiert die diskutierten Punkte

Bild: Stückzahlkurve vor und nach Rüstvorgang mit Aus- und Anlauf

Dieses Vorgehen ist keine Lösung für die Verfechter von Zettel-und-Stift Lösungen. Es schafft jedoch Fakten an Stellen, die ohne Advanced Analytics in der Vergangenheit nicht messbar waren. Auf diese Weise kann man sich von der Diskussion über die Beurteilung des Sachverhalts lösen und zur eigentlichen Bearbeitung der Prozessverbesserung kommen.